Expertin für Future of Work, Wien

Lena Glaser, Lebenslinie Future of Work Foto Salon, Speaker © Marlena König
Wann hast du dir zum ersten Mal Gedanken über eine neue Arbeitswelt gemacht?

Ich habe 2017 meinen Job als Juristin aufgegeben. Ich hatte damals nicht den Plan, die Arbeitswelt neu zu erfinden, ich hatte noch gar keinen konkreten Plan. Ich wollte lediglich mein eigenes Leben verändern, ich wollte herausfinden, wie ich eigentlich arbeiten möchte. Was mich interessiert und was ich brauche, um im Beruf zufrieden zu sein. Ich habe meinen Job in der öffentlichen Verwaltung aufgegeben und mich auf die Reise gemacht. Und da habe ich zum ersten Mal gesehen, dass sich die Arbeitswelt – so wie ich sie kannte – verändert. Und ich habe erkannt, dass nicht nur ich unzufrieden war, sondern sehr viele Menschen. Dass bei einer ganzen Generation das Bedürfnis entsteht, anders arbeiten zu wollen als die Generationen vor uns. Also habe ich begonnen zu recherchieren. Ich habe das Buch von Frederic Laloux “Reinventing Organizations” gelesen, in dem er zeigt, dass diese alten Organisationen, die wie Maschinen organisiert sind, für die Zukunft nicht funktionieren werden, sie sollten mehr und mehr wie ein Organismus funktionieren. Die Bücher waren eine Inspiration für Gespräche mit vielen Menschen, die mir schon ein Stück voraus waren. Und die mir das Gefühl gegeben haben, ich möchte hier auch mitdenken, mitgestalten und noch mehr Menschen einladen, die Arbeit neu zu denken. Und mittlerweile bin ich selbst Autorin (“Digitaler Humanismus – Arbeit neu denken, auf Augenhöhe treffen”, Waxmann) und hoffe damit, neue Impulse geben zu können.

Auf deinem Blog basicallyinnovative.com hast du die Gespräche gesammelt. Wolltest du von Anfang an deine Erkenntnisse teilen?

Ich habe mir das gar nicht lange vorher überlegt. Das war rein intuitiv. Ich kann es auch gar nicht mehr so abrufen. Das Einzige, das ich sicher sagen kann, ich hatte schon von klein auf den Wunsch, Journalistin zu werden. Ich war schon als Jugendliche politisch sehr interessiert, ich wollte recherchieren und das Schreiben war mir immer eine Herzensangelegenheit. Im Jus-Studium schreibst du auch viel, aber es ist in keiner Weise ein kreatives Schreiben. Es ist kein erforschendes Schreiben oder inspirierendes Schreiben, sondern ein sehr formales Schreiben. 

Und da ist es einfach aus mir ausgebrochen. Diese kreative Seite, die es schon als Kind immer gab und die im Job doch sehr unterdrückt war, ist durch das Kündigen aus mir herausgebrochen. Ich habe eine arge Transformation auf persönlicher Ebene durchgemacht, unterdrückte Kreativität und Emotionen kamen an die Oberfläche, sodass hier viel Energie entstand. Viel kreative Energie. Und das hat sich dort niedergeschlagen, wo ich mein Talent habe – im Schreiben. Ein Blog ist nach wie vor die beste Möglichkeit, um sehr einfach eigene Inhalte mit der Öffentlichkeit zu teilen und um ein Publikum zu gewinnen, ohne dass man von einem Verlag oder von Medien abhängig wäre. Für mich war es auf jeden Fall eine Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu generieren. Wenn Menschen “Future of Work” gegoogelt haben, haben sie mich gefunden. 

Hattest du einen Leitfaden, dem du bei deiner neuen Beschäftigung gefolgt bist?

Rückblickend wird mir immer bewusster, dass ein wesentlicher Aspekt des Blogs die Interviews mit ExpertINNEN war. Mir ist aufgefallen, dass das Thema “Zukunft der Arbeit” sehr männlich besetzt war, die öffentliche Debatte wurde sehr stark aus einer weißen männlichen Perspektive geführt. Mir war aber klar: Die Zukunft der Arbeit kann nicht nur männlich gedacht werden, die Diskussion muss viel voller sein, es braucht Diversität und einen viel breiteren Blick darauf. Deshalb habe ich begonnen, auf meinem Blog weiblichen Stimmen eine Plattform zu geben. Es ist kein ausschließliches Projekt für und von Frauen, aber es ist mir wichtig, Frauen und deren Expertise sichtbar zu machen. Wir alle – egal welche Geschlechtsidentität – sind Teil der Arbeitswelt und deshalb ist es wichtig, dass wir hier auch gemeinsam denken. Wir müssen uns nicht von einzelnen Experten sagen lassen, wie die Zukunft der Arbeit aussehen wird, sondern die Diskussion als Einladung sehen, selbst darüber nachzudenken, sich zu positionieren und in die Öffentlichkeit zu gehen. Der Blog soll auch dafür ein Tool sein. Was anfangs nur persönliches Interesse war, wurde zu einer Plattform, die ich zu einem Thema bereitstellen möchte, von dem ich weiß, dass es extrem viel gibt, das noch nicht sichtbar ist.

Wann wurde aus dem Interesse dein neuer Beruf?

In dem Moment, als ich angefragt wurde. Als mein Wissen als Vortragende und Impulsgeberin angefragt wurde, habe ich gespürt, dass es ein Interesse an dem gibt, was ich herausgefunden habe. Eine meiner ersten  Anfragen bekam ich 2018 von UN Global Compact, eine UN-Organisation in Deutschland, die sich mit nachhaltigem Wirtschaften beschäftigt. Sie wollten einer meiner Beiträge aus dem Blog für eine Konferenz verwenden, die zum Thema hatte, wie meine Generation – die Millennials – in Zukunft arbeiten möchten. Es kamen mehr und mehr Anfragen und ich bekam die Möglichkeit an einem Inkubatorprogramm der Wirtschaftsagentur Wien teilzunehmen. Ein tolles Netzwerk, in dem ich gelernt habe, unternehmerisch tätig zu sein. In diesem Zusammenhang hat sich schließlich auch mein Business-Modell herauskristallisiert. Seitdem entwickle ich unterschiedliche Formate und Konzepte für Menschen, die ihre Unternehmen und Organisationen, die ihre Arbeitsstrukturen verändern möchten.

Von wem wirst du angefragt? Von der Geschäftsführung oder von der HR?

Das ist sehr unterschiedlich: von Mitarbeiter*innen aus dem Personalbereich oder Employer Branding, aber auch von Führungskräften und Vorständen. Letztere sicher auch aufgrund meiner öffentlichen Sichtbarkeit – wenn du einmal in “Die Presse” warst oder im ORF gesendet wurdest, erwischt du ganz andere Gruppen. Diesen Zugang hatte ich vorher nicht, aber dadurch werde ich wahrgenommen. Und es gibt ganz offensichtlich einen Bedarf nach Veränderung – durch alle Branchen hinweg: von kleineren Unternehmen über Start-ups bis hin zu Banken und Versicherungen. Aber auch aus Politik und Interessensvertretungen. Die Veränderung ist spürbar, das freut mich!

Von außen hat man den Eindruck, es tut sich nur in den kreativen Branchen etwas.

Die Veränderung dringt auch schon in sehr traditionelle Bereiche ein. Das ist tatsächlich auch hierarchie-unabhängig. Es hängt eher davon ab, welche Mitarbeiter*innen du in deiner Organisation hast. Du kannst offene Vordenker*innen und Changemaker*innen auf allen Levels haben, in allen Bereichen. Ich betreue z. B. eine junge Frau, die erkannt hat, dass in ihrem Bereich noch sehr traditionell gearbeitet wird und sie etwas verändern möchte. Und nicht nur deswegen, um selbst zufrieden zu sein und um gerne in die Arbeit zu gehen, sondern auch, weil sie ihre Organisation mitgestalten will. Ich habe das Gefühl, dass sich das Verständnis, dass sich etwas ändern muss, schön langsam in allen Ebenen und durch alle Branchen verbreitet.

Was sind die Haupterkenntnisse aus deinen Recherchen und Gesprächen? In a Nutshell: In welche Richtung entwickelt sich die Arbeit derzeit?

Viele Unternehmen beschäftigen sich aufgrund von Corona erst jetzt mit dem Thema, ich konnte aber schon davor erkennen, dass eine Tendenz in Richtung freier arbeiten gibt. Menschen, die noch 30 oder 40 Jahre arbeiten werden, haben andere Bedürfnisse. Das müssen Unternehmen zunehmend verstehen und sich darauf einstellen, wenn sie diese Menschen bekommen und behalten wollen. Diese Veränderung kann auf alle positive Auswirkungen haben: Es können Arbeitsbedingungen geschaffen werden, in denen sich Menschen besser einbringen können, wo sie gehört werden und mitgestalten, wo sie generell zufrieden sind. Ich spüre, dass es hier schon eine spürbare Tendenz gibt. Die Organisationen müssen zunehmend ihre Sichtweise ändern und Mitarbeiter*innen nicht bloß als Human Resource sehen, sondern als Menschen, die sich ganzheitlich einbringen können. Denen man auch zuhört, wenn es sich nicht um Vorstände oder Führungskräfte handelt. Ich sehe, dass ich mit diesem Anliegen nicht alleine bin und dass schon mehr und mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten geschaffen werden.

Wie wird das in den traditionellen Arbeitsmodellen umsetzbar sein?

Unsere herkömmliche Arbeitsweise, dieses Silo-Denken nach dem Motto “Du bekommst eine Aufgabe und diese arbeitest du ab” oder “Du bist nur in deinem Team und basta” funktioniert nicht mehr. Wir arbeiten viel vernetzter, bestimmt auch dank der Tools, die uns mittlerweile zur Verfügung stehen. Es ist aber auch notwendig! Um wirklich gute Ergebnisse zu erzielen, ist es einfach wichtig, dass wir aus den Silos ausbrechen, dass wir auch einmal in der Nachbarabteilung nachfragen oder wo ganz anders! Wo meiner Meinung noch großer Nachbesserungsbedarf besteht, ist das Feld der Innovation: Es wird immer Innovation eingefordert. Innovation kann aber nur dann entstehen, wenn Menschen Dinge ausprobieren dürfen und wenn sie auch Fehler machen dürfen. Im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern haben wir in Österreich noch sehr viel Angst, Neues auszuprobieren. Wir arbeiten eher noch nach der Devise: “Das haben wir schon immer so gemacht. Warum etwas Neues machen, wenn es eh funktioniert.” Wir leben aber in einer Zeit, in der alles immer schneller wird und vieles ungewiss ist. Deswegen müssen wir uns darauf einlassen, neue Wege auszuprobieren. Und zulassen. Das ist eine Kulturfrage. Organisationen müssen sich dahin entwickeln, den Menschen Raum, Möglichkeiten, die Tools und Zeit für die Entwicklung geben. Meiner Meinung nach muss es in die Richtung gehen, ich bin aber selbst gespannt, inwiefern das auch tatsächlich so sein wird.

Wie arbeitest du mit den Menschen in Unternehmen und Organisationen?

Ich arbeite als Sparringpartnerin und Mentorin von mutigen Vordenker*innen, die ihre Organisationen mitgestalten möchten, teile als Expertin und Vortragende mein Wissen in Form von Expertisen, Trendreports und Konzepten und biete Workshops und Networking-Formate, in denen sich meine Kund*innen austauschen und voneinander lernen können, zum Beispiel im monatlichen Meet-up oder halbjährlichen Salon. Gerade 2020 ist das Interesse an dem Thema gestiegen, weil sich nun viele mit der Frage “Wie wollen wir in Zukunft arbeiten” auseinandersetzen. Sie haben auch aus dem ersten Lockdown gelernt, sie erkennen Potenziale und woran sie noch arbeiten müssen. Homeoffice war plötzlich nicht mehr nur Schlagwort und ein Privileg für ganz wenige. Plötzlich wurde es zu einem Zwang. Es sollte aber weder das eine noch das andere sein – es geht um die Möglichkeit zu wählen.

Hast du eine spezielle Methode, mit der du die Menschen in Unternehmen an das Thema führst, wenn es für sie noch neu ist?

Ich mache sogenannte Learning Journeys. Das ist eine Methode, die ich selbst entwickelt habe und durch die ich es auch geschafft habe, aus diesem klassischen und traditionellen Denken auszubrechen, das stark von hierarchischen und strengen Strukturen geprägt war und in dem man das erledigt, was einem angeschafft wird. Mithilfe der Learning Journeys entwickle ich ein neues Mindset, ich erkenne Dinge, die ich mache, ich erkenne Synergien. Was ich anfangs für mich gemacht habe – viele unterschiedliche Gespräche führen, begonnen in Co-Working-Spaces über Kreativstudios bis zu Großunternehmen – und worüber ich unglaublich viel gelernt habe, ermögliche ich nun auch anderen. Alle, die Lust haben, sich persönlich zu verändern oder ihre Organisation mitzugestalten, nehme ich mit auf meine Lernreise, damit sie auch andere Arbeitsbereiche und andere Arbeitsmodelle kennenlernen können. Es gibt ihnen die Möglichkeit, Projekte anzusehen, die nicht direkt mit ihrem Alltag zu tun haben. Damit sind sie eingeladen, neue Dinge auszuprobieren und die eigene Arbeitsweise zu überdenken. So kamen etwa auch Anfragen der Wirtschaftskammer, ob ich so eine Learning Journey kuratieren könnte. In Zeiten eines Lockdowns ist das auch virtuell möglich – über Online-Talks, Workshops und über meine digitalen Kanäle.

Es klingt ja so, also hättest du so etwas wie einen Forschungshub eingerichtet.

Ja genau, in diese Richtung geht es. Das ist die große Vision. Ich arbeite tatsächlich gerade an dieser  Idee, die ich schrittweise mit Anfang des neuen Jahres umsetzen möchte. Ein Herzensthema von mir ist die Errichtung einer Academy, die Wege des Neuen Lernens aufzeigt und Räume schafft in denen voneinander gelernt werden kann, und so nachhaltige, menschenzentrierte Innovation gefördert wird. Ich habe JUS studiert, das war ein sehr klassischer Weg zu lernen. Und ich habe schon vor meiner Neuorientierung viele neue Wege gefunden und kennengelernt, wie man sich weiterentwickeln kann und wie man Dinge lernen kann. Die Academy richtet sich an all jene, die sich auf ihre Zukunft vorbereiten wollen und da neue Impulse suchen wollen. An Menschen, die in Organisationen tätig sind und diese mitgestalten wollen. Die Impulsgeber*innen kommen vor allem aus der  Kreativwirtschaft, aber auch aus Forschung und Industrie. Ich möchte gerne das Bindeglied sein. In der Kreativwirtschaft ist man auf dem Bereich schon sehr weit, was “Neues Arbeiten” betrifft, davon kann man sehr viel lernen und sehr viel in die alte Arbeitswelt transferieren. Aber das gilt auch umgekehrt. Ich glaube, dass es auch viel in der alten Arbeitswelt gibt, das man nicht einfach vergessen sollte. Sondern dass man voneinander lernen kann. Auf diesem Gebiet Brücken zu schlagen ist eines meiner größten Ziele und mit der Academy möchte ich ein breites Angebot schaffen in Form von Lehrgängen, in Form von Learning Journeys, auch in Form von Coaching und Mentoring. Einfach so ein Hub, wo jede und jeder andocken kann.

Wie sieht aktuell dein Arbeitsalltag aus? Lebst du das, was du dir gewünscht hast?

Ich würde sagen, es ist eine Herausforderung. Ich wollte mich eigentlich nie in meinem Leben selbstständig machen, das war keine Überlegung, nicht einmal ansatzweise. Aktuell ist es aber offensichtlich die einzige Möglichkeit, so zu arbeiten, wie ich arbeiten will, also entsprechend meinen Bedürfnissen: Ich kann mir meine Projekte aussuchen, ich kann mir die Menschen aussuchen, mit denen ich zusammenarbeiten will, ich kann mir aussuchen, wo ich arbeite und wann ich arbeite. Das ist alles extrem herausfordernd, aber es entspricht meiner Persönlichkeit. Ich sage aber nicht, dass das für alle Menschen der Weg ist und dass wir uns alle ständig diesen Fragen aussetzen müssen. Für mich hat es sich allerdings als der richtige Weg herausgestellt, damit ich eigene Ideen umsetzen und etwas bewirken kann. Ich habe den Eindruck, dass ich mit meiner aktuellen Situation, mit meiner Freiheit, die größtmöglichen Hebel bewegen kann. Und das war mir immer wichtig: Die Arbeit, die ich tue, muss eine Wirkung haben. Ich hatte schon immer ein starkes Bedürfnis, etwas zu verändern und dafür das Bewusstsein zu schaffen. Das hat mich angetrieben. In dem Zusammenhang geht es eher um meine Ressourcen, meine Bedürfnisse, meine Gesundheit. Und wenn diese Grundlage gegeben ist, geht es mir darum, mit dem, was ich tue, etwas zu bewirken. Und dementsprechend würde ich sagen, ich bin da angekommen, wo ich sein wollte. Nichtsdestotrotz: Es ist ein Auf und Ab, es bleibt eine Herausforderung.

Vitae

Lena Glaser geht der Zukunft der Arbeit auf den Grund. 

Die Expertin für New Work hilft Menschen in Organisationen und Unternehmen ihre Arbeitsstrukturen zu überdenken und sie den Bedürfnissen der jungen Generationen anzupassen.

Mein Blog

Da wo alles begann. Da wo alles Wissen gesammelt wird.
Eine hilfreiche Lektüre, für alle, die sich für das Thema New Work interessieren und selbst über Veränderungen nachdenken. 

basicallyinnovative.com

Meine Methode

Um tief in ein Thema einzutauchen, habe ich die sogenannten Learning Journeys entwickelt.
Ich bin unterwegs, reise in mir unbekannte Arbeitswelten, beobachte, ich spreche mit den Menschen, ich erkenne Muster und Synergien und entwickle aus alledem ein neues Mindset.

Mir ist wichtig, dass die Arbeit, die ich tue, eine Wirkung hat.