Wien & Berlin

Lieber Laurence, vielen Dank, dass du dir heute Zeit genommen hast, wo erwische ich dich gerade?

Ich sitze gerade im Auto, mein kleiner Sohn neben mir. Ich habe ihn gerade abgeholt, das war nicht ganz so geplant, also musste ich ihm erklären, dass ich noch ein kurzes Interview geben werde. Er hat es brummend gestattet. Nun möchte er allerdings aufs Autodach klettern 🙂

Dann direkt rein in medias res: Wird man zum Schauspieler geboren oder kann man das lernen?

Ich glaube, ein gewisses Talent wird dir mitgegeben. Ob vor der Geburt, mit der Geburt oder im Kleinkindalter, keine Ahnung. Aufbauend auf dem Talent kannst du dann noch viel lernen. Meine Grundlagen-Lehrerin am Max Reinhardt Seminar hat gesagt: Talent ist Interesse. Dieser Satz hat sich eingeprägt. Menschen, die sich für eine Sache interessieren und eingehend damit beschäftigen, entwickeln ein Talent. Denn wenn du viel von Einstellungen, den Arten der Kameras, der Machart, usw. verstehst, kannst du auch besser in diesem Beruf werden. Die beste Kombi ist sicher: Du hast von vornherein ein gewisses Talent und setzt dich hin, hackelst und tust etwas dafür.

Wie äußert sich das Talent oder das Interesse?

Aber ich war auf jeden Fall ein sehr aufgeweckter, spielfreudiger Junge. Ich fand alles, was mit still sitzen zu tun hatte, sehr schnell sehr langweilig. Ich habe wahnsinnig gerne Spiele gespielt, bei denen ich jemand anderer war. Das war sehr natürlich und hatte noch nichts mit dem zu tun, was ich heute mache. Die Lust, die vorhandene Energie irgendwo und irgendwie ausdrücken zu können, kenne ich schon seit meiner Kindheit.

Und dann? Kommt da jemand, der das Talent erkennt oder merkt man selbst, dass man sich mehr damit beschäftigen möchte?

Ich kenne beides. Zu gewissen Entscheidungen hat sich auch ein bisschen Glück gesellt. Mein Vater ist schon lange Produktionsleiter beim Film, man kannte ihn im österreichischen Filmgeschäft und wusste, dass er zwei Kinder hat. Irgendwann wurde ein Mädchen für eine Rolle gesucht und sie fragten, ob meine Schwester nicht mitmachen wolle. In diesem Moment habe ich Blut geleckt und meinem Papa gesagt, ich würde das auch gerne versuchen. Also haben wir begonnen, auf Castings zu gehen und meine erste Rolle bekam ich bei Kommissar Rex. Da war ich elf.

Damit war der Grundstein für deine spätere Berufswahl also gelegt?

Ich wollte erst einmal gar nicht Schauspieler werden. Ich habe mir diesen Weg, der sich mir oft aufgetan hat, gerne angesehen. Ich fand das spannend, wollte dem aber nicht hauptberuflich nachgehen. Ich kannte ja das Leben meines Vaters und fand diese künstlerische Selbstständigkeit nervend. Ich verstand als Kind nicht, warum mein Vater immer wieder arbeitslos war. Es war mir sogar unangenehm, wenn ich nach dem Beruf meines Vaters gefragt wurde und fühlte mich nicht nur einmal als Außenseiter, weil die Eltern der anderen Kinder konventionellen Jobs nachgingen. Deswegen wollte ich vorerst nicht Schauspieler werden. Ich wollte stattdessen richtig viel Kohle machen. Ich wollte Pilot oder Augenchirurg werden, in meiner Vorstellung gab es da richtig viel Geld. Von Schauspielern hatte ich den Eindruck, sie seien ständig arbeitslos und säßen nur herum – das wollte ich auf keinen Fall!

Irgendetwas hat dich dann ja wohl umgestimmt?

Die Arbeit an In 3 Tagen bist du tot war eine Offenbarung für mich. Das war mein erster Kinofilm, es wurde so toll und künstlerisch gearbeitet. Ich musste nicht nur Text auf Marke sprechen – da ging es um viel mehr! Die Vorbereitungen und die Proben haben mich schon so begeistert, dass ich dachte, die Schauspielerei könne doch etwas für mich sein. Ich ließ mir aber immer noch eine Hintertür offen und inskribierte an der BOKU. Kurz vor meinem Bachelor-Abschluss wollte ich es aber schließlich doch wissen, ob ich das Zeug zum Schauspieler hätte und bewarb mich am Max Reinhardt Seminar. Ohne große Hoffnungen, ich dachte eher: “Ich versuche das jetzt und schaue einfach.” Und als ich tatsächlich aufgenommen wurde, war ich wahnsinnig überrascht. Ich hatte bis dahin ja nicht einmal überlegt, ob ich das Seminar überhaupt machen möchte. Aber da ich schon einmal aufgenommen war, wollte ich es auch versuchen. Und ich wurde sehr schnell sehr positiv überzeugt. Auf zwei Student:innen kommt ein:e Professor:in. Das ist schon krass, wie viel Aufmerksamkeit man bekommt und wie gut man umsorgt wird.

Die Zügel aus der Hand zu geben hat sich für dich in dem Fall gelohnt.

Genau. Lockerlassen hat oft dazu geführt, dass sich die Dinge für mich richtig zusammengefügt haben. Diesen Biss, dieses übertriebene Wollen – das hatte ich nicht. Ich bin der Meinung, dass das sogar ins Gegenteil ausschlagen kann und so gesehen war es mein Vorteil, mich treiben zu lassen.

Hast du diese Lebenseinstellung behalten?

Ich denke ja. Irgendwann habe ich begriffen, dass das eine ganz gute Taktik ist und habe versucht, mir das beizubehalten. Ich muss aber zugeben: Je älter ich werde, umso schwerer fällt es mir. Ich fange an, Dinge kontrollieren zu wollen. Und mir ist aufgefallen, dass mir Castingabsagen nahe gingen – anders als früher. Ich habe mich nun einmal entschieden, dass die Schauspielerei nun mein Job ist und ich damit mein Geld verdienen muss. Ich habe eine Familie und dadurch ergibt sich durchaus ein Druck, ein gewisses Einkommen an Land zu ziehen. Das im Hinterkopf, versuche ich trotzdem, diese Einstellung zu bewahren. Ich wäge allerdings schon genauer ab, welche Rollen ich annehme, eine Kosten-Nutzen-Rechnung wenn man so will. Lange von meinen Kindern weg zu sein und dafür wenig Geld zu bekommen, braucht schon ein sehr gutes Drehbuch oder viel Überzeugungsarbeit von der Regie.

Was schätzt du an dieser Art zu arbeiten?

Ich bin sehr froh, dass ich diesen Beruf habe und dass mein Leben so ist, wie es ist. Montag bis Freitag, von 9 to 5 zu arbeiten – das würde ich nicht hinkriegen. Selbstständig zu sein ist schon eher meins. Dieser Drang, frei zu arbeiten, war auch der Grund, warum ich am Theater gekündigt hatte. Ich hatte am Berliner Ensemble meinen letzten fixen Vertrag. Die Sehnsucht, wieder freier zu arbeiten und und selbstbestimmt Projekte auswählen zu können, hat wesentlich zu dieser Entscheidung beigetragen. Ich vermisse das Theater sehr, muss aber nicht sofort wieder in ein Ensemble, sondern würde mir wünschen, als Gast zu arbeiten.

Es gibt sicher viele Schauspieler:innen, denen diese Sicherheit sehr willkommen ist.

Ja, und das ist auch gut so. Aber als sogenannter Theatersoldat musst du arbeiten. Ich war sehr stolz, so ein solcher Soldat zu sein, unter all den Gleichgesinnten. Das unterscheidet das Theater vom Film und das mag ich so gerne daran: Im Theater bist du als Schauspieler kein Extrawürschtel. Da bist du gleichgestellt mit den Leuten vom Bühnenbau oder bei der Maske. Beim Film wirst du während des Drehs mehr umsorgt, ich beschwere mich aber nicht über die Sonderbehandlung, die kann auch sehr angenehm sein 🙂 Und ich schätze beim Film, dass man die Stellung eines Regisseurs oder einer Regisseurin nur daran erkennt, dass alle Fäden beinahe unsichtbar bei dieser Person zusammenlaufen und sie so alles lenkt. Wenn man so arbeiten darf, ist das ein großes Glück.

Du pendelst seit einigen Jahre zwischen Wien und Berlin, dazwischen bist du immer wieder auf Drehs. Hast du überhaupt das Bedürfnis, dich irgendwo niederzulassen?

Ja, doch. Dieses Bedürfnis ist mit der Zeit gekommen. Ich freu mich, wenn ich Angebote in der Stadt bekomme, in der ich lebe – also in Wien oder in Berlin. Aktuell drehe ich in Krakau, für insgesamt fünf Monate. So lange von Zuhause weg zu sein, ist schon hart. Für meinen kleinen Sohn ging nun auch die Schule los, was für uns als Familie bedeutet, ich kann ihn und seine Mutter nicht mehr so einfach einpacken, wenn sie gerade auch nicht dreht. Weil ich so viel da und dort bin, hätte gerne einmal einen Ort, der sich so richtig wie ein Zuhause Zuhause anfühlt. Ich weiß noch nicht so genau wo. Und ich weiß noch nicht was. Aber schön wäre eine Wohnung oder ein Haus, wo ich die nächsten zehn Jahre oder mehr verbringen kann.

Vitae

2021 ist Laurence Rupp schon 23 Jahre Schauspieler und das, obwohl er den Job anfangs gar nicht hauptberuflich machen wollte wollte. In Wien aufgewachsen, wohnt er mit seiner Frau Paula und dem gemeinsamen Sohn in Berlin. 

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Watch, weil:

In drei Tagen bist du tot, weil der Film ein Gamechanger für Laurence war

Cops, weil einfach für immer ein Herzensprojekt

Die Geträumten, weil Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan unglaublich sehenswert inszeniert wurde

Barbaren, weil Laurence als Arminius bereits die zweite Staffel der Netflix-Serie dreht

Coming Soon

Landkrimi – unter der Regie von Marie Kreutzer, mit der zusammenzuarbeiten der Oberhammer war.

Souls – ein Projekt für Sky Deutschland, in dem Laurence einen Piloten spielt. Was wiederum einer seiner ursprünglichen Berufswünsche war.

Loslassen statt verbeißen.