Julia & Violetta

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Was war zuerst: Die Liebe zum guten Essen oder der Wunsch, etwas Nachhaltiges zu schaffen?

Violetta: Ich würde sagen, die Liebe zum Essen. Bei uns beiden. Julie hat schon immer viel und gut gekocht. Ich habe eher gebacken und das nach der Schule zu meinem Beruf gemacht.
Julia: Ich habe in Wien Ernährungswissenschaften studiert und danach vier Jahre in Kanada gelebt. Die Idee von gesundem Essen hat mich immer begleitet und in Kanada konnte ich durch meinen Beruf tiefer in das Thema eintauchen und mich damit beschäftigen, wie vegane Ernährung von der evidenzbasierten Wissenschaft als eine vollwertige Ernährung gegen chronische Erkrankungen anerkannt wird.
Violetta: Als ich begonnen habe, mich vegan zu ernähren, ist der Nachhaltigkeitsgedanke automatisch dazu gekommen.
Julia: Du rutschst da rein. Bei mir kamen mehrere Dinge zusammen: Mein Vater hatte immer schon Herzkreislaufprobleme und ist vor zwei Jahren sehr überraschend nach Komplikationen bei einer Operation gestorben. Ich war zu dem Zeitpunkt in Kanada. Das war ein Weckruf für mich. Ich wollte etwas erschaffen, das sowohl gut schmeckt als auch gut für die Gesundheit ist. Cashewnüsse und Kakaobutter – die Zutaten unserer Produkte – haben keinen negativen Effekt auf Herzkreislauferkrankungen. Der Genuss stand im Vordergrund. Der Nachhaltigkeitsgedanke kam später.

Machen wir noch einmal einen Schritt zurück: Wie habt ihr euch gefunden?

Julia: Wir haben uns im Gymnasium kennengelernt, wir haben uns am ersten Tag angefreundet und sind acht Jahre lang nebeneinander gesessen.
Violetta: Wir haben gemeinsam Latein und Altgriechisch gelernt.
Julia: Nach der Matura haben sich unsere Wege getrennt, ich bin nach Wien gegangen und habe Ernährungswissenschaften studiert.
Violetta: Ich bin auch nach Wien, ich wusste aber nicht genau, was ich machen möchte und habe ein Jahr an der BOKU studiert. Das war allerdings nicht meins und ich wollte mich dem Backen widmen. In Österreich musst du dazu allerdings eine Lehre machen, das wollte ich auch nicht. Also bin ich in die USA und habe dort sieben Monate lange an einer Culinary School studiert. Als ich zurück nach Österreich gekommen bin, wollte ich mich schon gerne selbstständig machen – doch wenn du nicht den klassischen Ausbildungsweg durchlaufen hast, ist es enorm schwierig. Irgendwann hatte ich keine Lust mehr auf Krems und wollte weg. Zwei Wochen später war ich in London. Und dort habe ich vier Jahre lang in einer veganen Bäckerei gearbeitet.

Bist du gezielt zu dieser Bäckerei nach London gegangen, Violetta?

Violetta: Nein, nicht wirklich. Ich bin ja sehr spontan nach London gezogen und habe einfach nach “vegan bakery London” gegoogelt und so habe ich Ms. Cupcake gefunden. Sie war die erste vegane Bäckerei in ganz Großbritannien, die Besitzerin kam ursprünglich aus Kanada. Ich habe sie angeschrieben und wollte ein Bewerbungsgespräch vereinbaren. So einfach war das aber nicht: Für einen Job brauchst zu zuerst eine Adresse in UK und ein Konto bei der Bank – abgesehen davon war gar keine Stelle frei. Ich habe sie aber weiter genervt. Und so hat es sich ergeben, dass eine Stelle frei wurde, als ich in London war. Das war echt Schicksal.
Julia: Everything happens for a reason. Die besten Dinge passieren, wenn du für alles offen bist.
Violetta: Ich bin dann sehr schnell in die dortige vegane Szene aufgenommen worden. Alle Kolleg*innen, alle Freund*innen waren vegan. Julie war zur selben Zeit in Kanada und hat dort dieselben Erfahrungen gemacht.
Julia: Das war echt lustig. Wir haben unabhängig voneinander in vollkommen anderen Ländern sehr ähnliche Lebensstile gehabt. Wir hatten ähnliche Menschen um uns, alle sehr offen für andere Ernährungsstile, sexuelle Orientierung, etc. Auch was eine nachhaltige Lebensweise betrifft, waren sie zu diesem Zeitpunkt in Kanada schon viel weiter. Es war vollkommen selbstverständlich aus Papierstrohalmen zu trinken und Plastiksackerl gab es schon lange nicht mehr. All das haben wir gelebt und das hat uns natürlich beeinflusst.

 

Bist du deshalb nach Kanada gezogen?

Julia: Nein, mein Freund ist Halb-Kanadier und wir haben beschlossen, für einige Zeit dort zu leben. Ich hatte ein Work & Travel Visum und habe ich mich mit Gelegenheitsjobs herumgeschlagen, einmal in einem Spin Studio an der Rezeption gearbeitet und ein andermal in einer Smoothiebar. Zu dieser Zeit habe ich mich gefragt “Was mache ich hier? Ich habe einen Master-Abschluss und wasche Blender?”. Diese ersten 1 ½ Jahre waren nicht einfach, aber irgendwann dachte ich “Augen zu und durch”. Und von da an gings, ich habe so viele unglaublich nette und hilfsbereite Menschen kennengelernt und über eine damalige Freundin schließlich meinen Job bei VEGA bekommen, wo ich dann im Innovationsteam und Customer Experience & Education gearbeitet habe.

Zurück in Österreich: Wie habt ihr wieder zueinander gefunden?

Julia: Mein Freund und ich sind im März 2020 zurückgekommen. Ausschlaggebend war der Tod meines Vaters und ich wollte wieder näher bei meiner Familie sein.
Violetta: Da hat mir Julie zum ersten Mal von dem veganen Käse erzählt. Ich fand die Idee gut, aber zu dem Zeitpunkt dachte ich noch nicht, dass das bald meine Arbeit sein würde. Da wussten wir noch nicht, was für eine Zeit uns bevorstand. Ich habe den ersten Lockdown in London verbracht und wusste nicht, wann ich zurück nach Österreich kommen könnte.
Julia: Ich habe im Frühjahr 2020 begonnen, an den Käserichtungen zu experimentieren. Alle haben Sauerteigbrot oder Bananenbrot gebacken – ich habe begonnen, zu fermentieren und Käse zu reifen. Es hat mir Spaß gemacht, ich hatte aber schon den Hintergedanken, das könnte ein Business werden. Der Zeitpunkt hätte nicht besser passen können.

Warum gerade Käse?

Julia: Zwei Gründe. Mein Vater hat Käse geliebt, wirklich geliebt. Der Käsebelag war doppelt so dick wie das Brot. Ich dachte oft darüber nach, was gewesen wäre, wenn es ein Produkt gegeben hätte, das ihm schmeckt und auch gut für ihn, sein Herz und seinen Blutdruck gewesen wäre. Und ich habe das Projekt mit dem Hintergedanken gestartet, dass veganer Käse in Österreich einfach noch ein Nischenprodukt ist. Was in Nordamerika boomt, kommt üblicherweise drei Jahre später auch in Österreich an. Ich wollte diejenige sein, die das möglich macht. Ich habe mich in Vancouver ausgiebig mit veganem Käse beschäftigt, ich wusste, wie er schmecken kann oder soll.

Wie hast du dir dieses Wissen angeeignet?

Julia: In Kanada ist veganer Käse genauso populär wie herkömmlicher. Ich habe in Vancouver viele Käseseminare bei Karen McAthy – sie ist so etwas wie die Pionierin der veganen Käsewelt – besucht. Ich habe mir bei ihr das Grundwissen angeeignet. Es ist aber etwas anderes, wenn du zuhause im Kühlschrank ein paar Experimente machst, als wenn du in Produktion gehst. Das sind ganz andere Dimensionen und so wurde es ein learning by doing.

Wann wusstet ihr, die Zeit ist nun reif, das Business zu starten?

Julia: Violetta ist im August 2020 nach Österreich zurückgekommen und ab da ging es los!
Violetta: Es ist alles ineinander übergegangen. Wir haben ja weiterhin vieles probiert.
Julia: Das Produkt war ja eigentlich früh fertig, die Rezeptur stand. Ab der offiziellen Businessgründung im November dauerte es allerdings noch einmal fünf Monate, bis wir tatsächlich mit dem Verkauf beginnen konnten. Wir mussten uns um die Verpackungen kümmern, der Käse musste geprüft werden, Proben ins Labor geschickt werden – das hat sich ordentlich in die Länge gezogen.
Violetta: Ich wusste von meiner Unternehmensprüfung vor einigen Jahren, dass alles sehr streng und bürokratisch sein würde. Wenn du aber tatsächlich in dem Prozess steckst, ist es noch einmal etwas anderes.
Julia: Für mich war das eine extreme Geduldsprobe. Ich musste die Zügel aus der Hand geben. Im Grunde so wie bei unserem Käse. Das braucht ebenfalls Zeit, die Fermentation passiert nicht von einem Tag auf den anderen. 

Ist es in einer solchen Zeit gut, wenn man zu zweit ist?

Julia: Ja, ich hätte schon öfter aufgegeben.
Violetta: Wenn es etwas gibt, das ein paar Mal nicht funktioniert, ist es gut, wenn noch jemand da ist, weil du dich nicht immer nur selber motivieren musst.
Julia: Es gibt immer wieder einmal Tage, an denen ich in der Früh in die Küche komme und zuerst einmal meinen Frust ablassen muss. Und durch die gemeinsame Arbeit kommt die Freude daran zurück.

Was in Kanada oder London sehr alltäglich ist, ist bei uns noch recht unkonventionell. Wie habt ihr euch da drüber getraut?

Julia: Mein Vater hat moderne Architektur geplant und designt, deswegen bin ich mit der Einstellung groß geworden, nicht alles kann allen Leuten gefallen. Wenn nun jemand unsere Verpackung kritisiert oder meint, sie passe nicht ins Käseregal, dann sehe ich das nicht als etwas Schlechtes, ganz im Gegenteil. Der Papa hat immer gesagt: “Wenn es allen gefallen würde, dann habe ich etwas falsch gemacht.” Der Gedanke hinter unserem Design war die Aktivität der Bakterien in einer Petrischale sichtbar zu machen. Sie wachsen in alle Richtungen und in vielen Farben – so sind die Farbverläufe unserer Verpackungen entstanden.

Was sind die nächsten Schritte auf eurer Reise?

Julia: Natürlich möchten wir gerne irgendwann von cultured leben, wir möchten expandieren und größer werden. Wir sind beide sehr bescheiden, wir brauchen keinen Luxus, nur ein bisschen für Essen und den Hund 🙂 Vielleicht müssen wir dazu ein paar Anpassungen machen, z. B. unsere Produkte ins Österreichische übersetzen. Sie haben alle englische Namen mit einer kleinen Doppeldeutigkeit, die vielleicht nicht überall verständlich ist.
Violetta: Wir müssen da noch einen Mittelweg finden, sodass wir die Leute neugierig machen. Aber auf unsere Art und Weise – und so, dass wir uns treu bleiben.

Vitae

Julia & Violetta haben sich in der Schule kennengelernt und nach der Matura unabhängig voneinander in verschiedenen Ländern einen ähnlichen Lebensstil gelebt. Sie haben sich dem bewussten Genießen zugewandt und zurück in Österreich begonnen, veganen Käse herzustellen. 

allcultured.com

Der Name

Cultured heißt übersetzt fermentiert. Und es bedeutet so etwas wie “Kultur zu besitzen”.
Eine Mehrschichtigkeit, die die beiden Gründerinnen, ihre Produkte und ihr Unternehmen beschreibt.

Das Design

Die Farbverläufe sind aus der Aktivität der Bakterien in einer Petrischale während der Fermentierung entstanden. 

 

 

Get shit done.