Illustratorin, Graz

Karolin Ohrnberger Motion Design and Illustration Lebenslinie for HDIGH Illustration © Karolin Ohrnberger
Hallo Karo, möchtest du mir zum Einstieg beschreiben, wo ich dich gerade treffe?

Hallo, guten Tag, hallo Leser*innen, ich bin hier in Graz, in der Wohnung, in der ich gemeinsam mit meinem Partner wohne. Ich arbeite hauptsächlich von hier aus, manchmal alleine drüben im Büro, manchmal im Wohnzimmer mit Freunden, coworking-mäßig. Immer alles sehr entspannt.

Du bist Illustratorin, nun möchte ich gerne wissen, wie du zu diesem Beruf gekommen bist?

Ich habe schon in der Schule viel gezeichnet, ich habe einen Vertiefungskurs belegt und ich hatte immer großen Spaß daran. Ich fand mich selbst aber nie besonders gut. Nach meinem Studium “Medientechnik und Design” arbeitete ich bei einer Agentur in Hamburg und danach bei einem Studio in Wien. Ich arbeitete als Grafikerin und im Motion Design, daneben kamen in dieser Zeit schon mehr und mehr Anfragen nach Illustrationen. In dieser Branche passiert es ja sehr schnell, dass dich jemand fragt, ob du nicht “ein kleines Bild für die Webseite” machen könntest. Und so habe ich in Wien schon auf vier Tage reduziert und als ich nach Graz gekommen bin, habe ich mir nur mehr einen Job für zwei Tage gesucht. Denn die Aufträge stiegen, es hat mich mehr und mehr gereizt, es waren größere Herausforderungen. Und seit rund 2,5 Jahren bin ich vollkommen selbstständig.

Wie hast du erkannt, dass du lieber illustrierst, als als in der Grafik oder im Motion Design zu arbeiten?

Vielleicht nicht über meine beste Tugend: Ich bin sehr ungeduldig. Ich hatte immer Lust, Geschichten zu erzählen, ich wollte Nachrichten überbringen. Deshalb habe ich mich anfangs auch stark für Animationen interessiert, ich war fasziniert davon, in welcher Präzision Geschichten in Indie Animations Shorts erzählt wurden. So etwas selbst zu produzieren – das konnte ich nicht aufgrund meiner Ungeduld: Sich etwas zu überlegen, es zu zeichnen und es danach zu animieren, dauert. Dazu kommt: Eine Animation kann man selten alleine machen. Und wenn ich für eine Geschichte brenne, muss auch jeder andere bis zum Schluss für die Geschichte brennen. Ich wollte einfach machen, ich wollte meine Dinge einfach umsetzen und illustrieren ist mir in diesem Prozess viel leichter, schöner und schneller vorgekommen.

Und wann gings los?

Anfang 2017 habe ich begonnen, jeden Tag etwas zu zeichnen – wirklich irgendetwas. Ich machte eine Challenge daraus und habe die Dinge direkt auf Instagram gestellt, anfangs nur für meine fünf Freunde, mit der Zeit wurden es immer mehr. Ich wollte anfangs etwas ganz Cooles machen, ich wollte edgy sein, irgendwie wurde alles aber immer süßer.

Sucht man sich seinen Illustrationsstil aus oder findet der einen?

Ich konnte ihn mir nicht aussuchen. Ich wollte am Anfang gerne zu den “cool girls of illustration” gehören, die mit ihrer Kunst provozieren. Denn ich fand es zum Beispiel schon immer ganz toll, was manche Menschen mit Nacktheit machten, so obszön und schon beinahe beleidigend, das fand ich zum Ansehen richtig toll. Als ich es aber probiert habe, bekamen meine Zeichnungen immer einen süßen Touch. Und irgendwann habe ich bemerkt, das bin ich nicht, ich will nicht provozieren, ich will den Menschen ein gutes Gefühl geben. Wenn man alleine ist und zeichnet, ist die Coolness auf einmal weg 🙂 🙂 Yoga war zu dem Zeitpunkt schon ein Teil meines Lebens und so kamen die Yoga-Elemente ganz natürlich in meine Illus. Es ist einerseits ein guter Ausgleich für das viele Sitzen und andererseits erkenne ich viele Gemeinsamkeiten: Illustrieren hat etwas ähnlich Meditatives, wenn man stundenlang Sachen anmalt.

Du arbeitest beinahe ausschließlich von zu Hause, wie tauscht du dich mit Kolleg*innen aus? Tauscht du dich überhaupt aus?

Ich habe eine sehr gute Freundin, die ebenfalls selbstständige Designerin ist. Wir sprechen viel über Fachliches oder Organisatorisches. Außerdem haben wir hier im Wohnzimmer – in unserem “Co-Working Büro” – immer Freund*innen sitzen, die an ihren Masterarbeiten schreiben oder an anderen Projekten. Selbst wenn es keine Fachpersonen in meinem Bereich sind, es ist immer jemand da. Ganz alleine zu arbeiten und mich nicht austauschen zu können, würde ich nicht schaffen. Ich zeige meine Arbeiten gerne anderen – egal ob Design-Background oder nicht.

Wie hältst du dich im Homeoffice motiviert und diszipliniert?

Ich bin motiviert, weil ich es einfach unglaublich schön finde, dass es möglich ist. In der Selbstständigkeit ist es sofort anders als auf der Uni, du hast Verantwortung, deinen Kunden gegenüber und dir selbst. Es geht um Geld. Es ermöglicht mir, nun so zu leben, wie ich möchte. Ich habe sehr normale Arbeitszeiten von ca. 9:00 bis 18:00 Uhr, aber ich liebe es, jeden Tag kochen zu können, jeden Tag in der Früh Sport machen zu können und wenn ich einmal keinen Bock auf Leute habe, dann genieße ich es, den ganzen Tag von zu Hause arbeiten zu können. Das ist so eine arge Freiheit und der größte Motivator. Ich habe schon in Jobs gearbeitet, in denen man sich gegenseitig hochschaukelt, wer länger im Büro geblieben ist. “Ich bin gestern noch bis 10:00 abends da gewesen” – ja, gratuliere!

Wenn man nun aber nicht in einem Arbeitsumfeld ist, muss man anders auf sich aufmerksam machen. Der Selbstdarstellung entgeht man als Selbstständige nicht, wie siehst du das?

Das läuft ganz natürlich mit. Instagram ist zu meiner Basis geworden. Das ist mein Aushängeschild, ich zeige dort mein Portfolio. Aber es ist auch so etwas wie mein Spielplatz: Ich probiere mich aus, ich schaue, welche Themen mich reizen und wohin sich mein Stil hin entwickelt. Und ja sicher, beim Ausprobieren ist immer etwas dabei, bei dem ich mir eine Woche später denke, ich möchte es lieber wieder runternehmen. Da habe ich gerade Lust eine Illu herzuzeigen und eine Woche später denke ich anders. Aber es ist meine Seite, da muss man dann auch löschen können. Nichtsdestotrotz, es bereitet mir schon öfter Kopfzerbrechen.

Wie gehst du generell mit Zweifel um?

Ich habe viele Zweifel, ich glaube, das hat jeder Mensch. Mein Freund hat einmal zu mir gesagt: “Karo, niemand nimmt dich so wichtig wie du dich selbst.” Das hat auf jeden Fall geholfen! Ich denke mir auch häufig, jedem anderen ist vollkommen egal, was ich mache. Das hilft, um mein Ding zu machen. Warum zurückhalten? Und ich stelle mir die Frage: “Was ist das Schlimmste, was passieren kann?” Denn meistens geht’s, selbst wenn der worst case eintritt!

Kannst du nach den knapp drei Jahren als selbstständige Illustratorin sagen, ob du den Weg magst, auf dem du dich befindest?

Auf jeden Fall. Ich habe keinen 5-Jahres-Plan, ich ändere immer Dinge, sobald sich etwas komisch anfühlt, und dann schaue ich weiter. Ich kann mir gut vorstellen, im nächsten Jahr mit Freunden, die ebenfalls selbständig sind, eine Bürogemeinschaft zu gründen und möchte dem Yoga-Unterrichten noch mehr Zeit widmen. Grundsätzlich fühle ich mich aber mit der momentanen Situation wohl. Das ist mir sehr wichtig: Wenn man diesen Druck der Selbstständigkeit auf sich nimmt, sollte man sie so schön wie möglich gestalten.

Vitae

Voller Lust Geschichten zu erzählen

erkannte Karo Oh, dass ihr das über Illustrationen am besten gelang. 

www.instagram.com/karo_oh/

Mein Illustrationsstil

Plakativ, simpel, wenige Farben und einfache Formen.
Hell, positiv, leicht.
Inklusiv und im Idealfall zum Nachdenken anregend.

Paschimottanasana

heißt meine liebste Yogapose. Die Vorwärtsbeuge im Sitzen.
Sie hat den Asanas eine ganze Instagram-Seite gewidmet:
www.instagram.com/allasanas/

Was ist das Schlimmste, das passieren kann?