Was war zuerst – Ihr beide als Arbeitskolleginnen oder ihr beide als Team?
Julia: Wir kennen uns schon relativ lange, über Instagram.
Vanessa: Julia hat es immer geschafft, jedes Medium besonders zu machen. Zu dieser Zeit waren Instagram-Stories entweder Boomerangs oder einfach nur komische Fotos. Bei Julia hatte ich das Gefühl, dass sie das Design mit einbringt, sie hat sich Gedanken gemacht und Geschichten erzählt. Auf eine ihrer Stories habe ich geantwortet: “Überall, wo du bist, ist ein Hotspot.”
Julia: Und ich habe geantwortet “Ich bin der Hotspot”. Ich habe zu dem Zeitpunkt einen sehr schönen Urlaub in Italien verbracht und wollte so viel wie möglich teilen, also bin ich bis in die Nacht hinein gesessen und habe die Stories aufbereitet. Und es hat funktioniert!
Vanessa: Wir versuchen das immer noch auf unserem Kanal beizubehalten.
Julia: Das stimmt. Die Liebe zu Design hat uns von Anfang an verbunden, wir haben beide in Werbeagenturen gearbeitet.
Vanessa: Wir waren in den gleichen Sphären unterwegs, dementsprechend oft sieht man sich. Und so sind auch die ersten Projekte entstanden, an denen wir gemeinsam gearbeitet haben.
Julia: Schließlich haben wir uns in einem Airbnb eingemietet und sehr intensiv gearbeitet, weil immer mehr Projekte auf uns zugekommen sind – das waren die Anfänge unseres Studios.
Der Schritt aus dem Angestelltenverhältnis in die Selbstständigkeit ist ja kein leichter, oft eher einschüchternd. Wie seid ihr damit umgegangen?
Vanessa: Wir sind sehr offen an die Sachen herangegangen. Ohne Zwang. Wir haben gespürt, wir möchten etwas ausprobieren und dann haben wir Menschen getroffen, die sich uns quasi anvertraut haben.
Julia: Ich hatte einen schlechten Tag im Büro. Als ich nach Hause gekommen bin, lief über den Fernseher eine Präsentation, warum wir uns selbstständig machen sollten. Warum wir uns zu zweit selbstständig machen sollten. Mit allem drum und dran, mit einem Teil zu den Finanzen und mit Case Studies von Menschen, die sich schon als Duo selbstständig gemacht hatten. Das war eine unglaubliche Überraschung nach einem sehr unmotivierenden Tag.
Vanessa: Und Julias Antwort war schließlich ja!
Welche Gründe waren ausschlaggebend dafür, dass ihr ein eigenes Studio gründen wolltet?
Vanessa: Wir hatten beide das Gefühl, in einer großen Agentur ein Zahnrad einer Maschine zu sein. Jeder in dieser Maschine macht seinen Teil – das ist ja auch gut so, deswegen können sie auch große Projekte stemmen. Wir haben aber gemerkt, dass wir in diesem Prozess etwas vermissen. Uns fehlte der Kontakt zum Projekt und zu den Kund*innen. Dabei ging die Leidenschaft ein bisschen unter.
Julia: In dem Prozess gehen auch viele Informationen verloren, das passiert beim direkten Kontakt kaum. In Agenturen kommen oft Projekte heraus, die sehr schön sind, aber denen es an Substanz fehlt – einfach weil man gar nicht tiefer gehen kann.
Vanessa: Man hat gar keine Zeit, die Kund*innen kennenzulernen. Immer muss alles schnell gehen, immer muss etwas fertig werden.
Was hat sich nun in der Zusammenarbeit mit den Kund*innen für euch geändert?
Vanessa: Wir können viel enger und agiler mit ihnen zusammenarbeiten, wir können viel schneller reagieren. Gerade während des Lockdowns haben wir bemerkt, wie wichtig diese Bindung ist.
Julia: Wir denken nicht daran, was wir verkaufen könnten, sondern vielmehr was wir den Menschen an Mehrwert geben können. Natürlich ist Geld meistens der Tauschwert. Wir hinterfragen aber jedes Briefing, wir zerlegen es in seine Einzelheiten und fragen uns: Was haben die Leute davon? Erreicht man mit den gewünschten Medien wirklich die Zielgruppe? Ist es wirklich das beste Medium für diese Geschichte? Ich glaube, das zeichnet uns aus.
Vanessa: Mit einer engeren Zusammenarbeit, vertrauen sie dir auch mehr. Und trauen sich mehr. So können wir den Kund*innen auch Dinge vorschlagen, die ein bisschen über das “Normale” hinausgehen – deshalb haben wir z. B. einen Facefilter und Giphy Sticker für das Neni gemacht.
Wie geht ihr als Duo nun mit den Kund*innen um? Trefft ihr sie immer im Team?
Julia: Wir versuchen immer, beide in das Projekt involviert zu sein. Das heißt nicht, dass wir gleichzeitig daran arbeiten. Aber wenn Vanessa ausfallen würde, kann ich nahtlos übernehmen. Wir starten jeden Tag mit einem morgendlichen Update über unsere Arbeit. Wir teilen die Aufgaben nicht wirklich auf, jede weiß, was zu tun ist. Das ergibt sich einfach. Es läuft eigentlich so, wie ich es mir früher immer gewünscht habe.
Jede Entscheidung muss bei euch durch zwei Köpfe. Macht es die Prozesse mühsamer oder langwieriger?
Vanessa: Gar nicht. Ich glaube, das macht einen sicherer.
Julia: Finde ich auch. Alleine weiß man oft nicht, ob das nun die beste Entscheidung war, ob man alles bedacht hat. Ich kann jederzeit meine Themen mit Vanessa besprechen, ich teile ihr meine Sichtweisen mit und wir tauschen uns aus.
Vanessa: Wir wollen ja miteinander und nicht gegeneinander arbeiten. Es geht nicht darum, unbedingt seine eigene Meinung durchzusetzen. Das ist ein weiterer Vorteil gegenüber einer großen Agentur: Man muss sich nicht behaupten, um aufzusteigen.
Julia: Das ist in Agenturen oft passiert. Es entstehen interne Konkurrenzkämpfe, man pitcht innerhalb eines Unternehmens und spielt Leute gegeneinander aus. Bei uns ist es immer so: Wenn eine einen besseren Vorschlag als die andere hat, perfekt! Wir sind Dienstleisterinnen und möchten das bestmögliche Ergebnis für die Kund*innen erreichen.
Gibt es Bereiche, auf die jede von euch spezialisiert ist?
Julia: Alles, was bewegt, würde ich eher bei dir sehen. Oder wenn es um Facefilter geht.
Vanessa: Deine Stärke liegen im Design, im Layout, Illustration und Fotografie. Aber im Grunde können wir beide alles.
Julia: Nicht gleich ausgeprägt.
Vanessa: Ja, nicht gleich ausgeprägt, das stimmt schon.
Julia: Wir können uns aber immer backupen.
Vanessa: Was uns beide gleich stark antreibt, ist die Neugier. Die Neugier an den Programmen, an den Medien. Wir sehen eine Geschichte, die wir erzählen wollen und die wir rüberbringen wollen und dann finden wir dazu die richtigen Medien – Video, Illustration, Layout, alles fließt ineinander.
Wie wichtig ist es für euch, immer wieder Neues zu generieren?
Julia: In unserem Branding gibt es ein Thema, das sich durchzieht. Die Zeit erfordert aber, dass man anpassungsfähig ist und das liegt zum Glück auch in unserem Naturell. Das soll nicht heißen, dass wir nicht zu einer Idee stehen oder nicht wissen, was wir wollen – die Dinge ändern sich. Das ist ein natürlicher Prozess. Eines der wenigen Dinge, die ich aus der Schulzeit mitgenommen habe, ist der Satz “Stillstand ist der Tod”. Wenn sich etwas nicht mehr verändert, ist es am Ende. Und das ist uns auch bei uns selbst wichtig. Man sieht die Veränderungen auf unserem Instagram Account. Es ist uns sehr wichtig, auf Aktuelles zu reagieren.
Heißt das auch, mit den verschiedenen Kanälen oder Medien zu spielen?
Julia: Ja, das ist die Neugier. Wenn ich irgendeine neue App entdecke, muss ich sie sofort ausprobieren!
Vanessa: Das zeichnet uns einfach wirklich aus! Diese Neugier an den neuen Dingen. Sobald wir etwas Neues entdecken, überlegen wir schon, zu welchem unserer Kund*innen könnte das neue Medium passen, wie könnte man es natürlich in ihre Strategie einbinden. So sind wir auch zu den Facefiltern gekommen.
Da unterscheidet ihr euch sehr von großen Agenturen!
Vanessa: In den Agenturen wurde mein excitement selten geteilt. Wenn etwas in die Richtung vorgeschlagen wurde, hieß es oft “das versteht niemand”.
Julia: Nach dem Motto “so haben wir es schon immer gemacht, so wird es immer bleiben”.
Vanessa: Es ist schade, wenn man nicht mit der Kultur mitgeht.
Julia: Man muss natürlich nicht jedem jedes neue Medium aufdrücken. Nicht zu jedem passt ein Facefilter. Aber man muss das Medium kennen, um zu wissen, was es kann und wie man es einsetzen kann, verwendet man es einfach zum Spaß oder kann es mehr? Zu wem passt es? Ich will neue Dinge zuerst einmal kennenlernen. Das ist diese Neugier. Das ist fast etwas Kindliches, das wir uns beide behalten haben. Ich muss alles einmal testen, sonst kenne ich es ja nicht und es wäre sehr, sehr traurig, wenn es wieder verschwinden würde, ohne die Dinge jemals ausprobiert zu haben!
Wie schafft ihr es zeitlich, euch mit all den neuen Programmen und Medien auseinander zu setzen?
Vanessa: Ich glaube der Unterschied zwischen einer Agentur und uns ist, dass wir es für uns persönlich machen. Wir gehen nicht an die Dinge heran und fragen uns, wie wir daraus Profit schlagen können. Wir gehen an die Dinge heran, weil sie uns wirklich interessieren.
Julia: Wir räumen immer genug Zeit zum Experimentieren ein – auch wenn das am Wochenende oder am Abend ist. Für uns ist es dann keine Arbeit, sondern unser Spielplatz.
Vanessa: Es ist wirklich unser Beruf und unser Hobby. Hobby ist kein schönes Wort, unsere liebste Freizeitbeschäftigung. Wir sind mit Herz und Seele dabei.
Julia: Selbst wenn wir verreisen, machen wir einfach gerne Content. Einfach weil wir das, was wir erleben, auch gerne teilen. In der letzten Agentur wurde ich gefragt, ob es nicht urnervig ist, ständig irgendetwas auf Instagram teilen zu müssen. Und ich habe geantwortet: “Nicht müssen, dürfen!” Ich finde es nach wie vor großartig, wie schnell man sich austauschen kann. Wie schnell ich z. B. Restauranttipps in Barcelona bekomme oder eine Empfehlung für ein Gesichtsöl. Ich frage mich eher, wie das die Leute früher gemacht haben. Man hat ja immer schon andere nach ihrer Meinung gefragt und jetzt kann ich diese Meinung mit der ganzen Welt teilen. Ich mag diese Transparenz einfach sehr gerne, die ehrliche Kommunikation.
Viele Menschen verbinden Social Media mit sehr viel Druck. Druck zu präsentieren und repräsentieren. Bei euch beiden wirkt es aber sehr natürlich und losgelöst.
Vanessa: So soll es sein. Man sollte nirgends im Leben versuchen, jemand zu sein, der man nicht ist. Natürlich sollte man sich von seiner besten Seite zeigen. Man schafft sich diese Zwanghaftigkeit aber selbst. Meistens macht man sich selbst den meisten Druck. Es wird nie jemand sagen “aaaah, du hast heute keine Story gepostet” – außer Instagram!
Julia: Ich will mich ausprobieren können. Ich lese gerne und teile das, was ich gelesen habe. Ich freue mich, wenn ich anderen etwas davon mitgeben kann. Ich mag, wenn andere auch davon profitieren und auch was davon haben, sonst ist es Zeitverschwendung. Ich habe Vanessa oft gefragt, ob ein Post nicht zu oberlehrhaft wirke – denn ich möchte nicht mit erhobenem Zeigefinger zeigen, wie man es richtig macht, ich möchte einfach Inhalte teilen.
Wie geht ihr mit Zweifel um?
Vanessa: Darüber reden! Das ist der Vorteil, wenn man zu zweit ist.
Julia: Richtiger Zweifel wird es ja erst, wenn du dem ganzen einen Nährboden gibst. Und wenn du alleine die Kämpfe austrägst, dann gibst du dem Ganzen natürlich viel mehr Futter. Ein Blick von außen hilft extrem. Das gilt auch gegenüber der Kundschaft. Ich habe nie verstanden, wenn mir der Rat gegeben wurde, ich müsse auftreten als würde ich alles wissen und vor dem Kund*innen keine Unsicherheit zeigen – ich finde das falsch. Die Auftraggeber*innen kennen ihr Business am besten, deshalb bin ich sehr offen für Feedback und wenn jemand sagt, der Ansatz passe nicht für mein Unternehmen, kann man darüber reden. Ich mag diesen Austausch sehr gerne.
Es gibt diese allgemeine Wahrnehmung, dass Arbeit anstrengend sein muss. Wie seht ihr das?
Julia: Ich lache sehr laut. Das habe ich auch in meiner Arbeitszeit nicht unterdrückt. Ich lache, wenn etwas lustig ist und ich lache manchmal einfach Stress weg. Eines Tages hatte ich eine E-Mail in meinem Posteingang mit der Nachricht “Wer lacht, hat Kapazitäten.” Ich war perplex. Ich wusste nicht, wie ich das finden sollte. Wenn ich keinen Spaß an der Arbeit habe, leidet die Qualität. Man merkt, ich zwinge mich zu etwas. Mir ist es sehr wichtig, dass ich die Dinge gerne tue, die ich tue.
Vanessa: Ich finde, es muss nicht alles so streng sein. Ich verstehe nicht, woher das kommt: Das Gefühl zu haben, man müsse sich aufopfern, man müsse leiden und der, der am meisten leidet, ist am geilsten.
Julia: Mir ist es wichtig, die Balance zu halten. Wenn wir wirklich sehr Druck haben, arbeiten wir alle Tasks ab und nehmen uns danach einen Tag Zeit und schalten einen Gang zurück. Aber wir machen nichts mit Zwang.
Stimmt mein Eindruck, dass ihr euch wohlfühlt mit dem, was ihr gerade macht?
Vanessa: Ja, wohlfühlen ist uns besonders wichtig.
Julia: Zeit verschwenden mag ich gar nicht. Ich will einfach jede Minute genießen. Auch mit Arbeit. Gerade mit Arbeit!