Dominik & Sebastian

Corona und Techno. Zwei Dinge, die sich auf den ersten Blick nicht gut vertragen – wie geht es euch damit, Dominik & Sebastian?

Sebastian: Wir haben die Situation für einen neuen Release genutzt. Mit der neuen EP sind wir zurück zu unseren Wurzeln gegangen – Musik, die man nicht nur im Club hören kann. Sondern bei der man die Augen zumachen und auf sich einwirken lassen kann. Wir haben schon immer Ambient gemacht, bei jedem Release war zumindest eine Nummer dabei. Insofern war es für uns nur schlüssig, die Nummern auf einer Platte zu sammeln. Das wäre früher oder später sicher auch ohne Corona passiert.
Dominik: Für mich fühlt es sich im Moment nicht so gut an,  Clubmusik zu machen, wenn Clubs in Europa gerade illegal sind. Sicher gibt es Leute, die sich diese Musik auch zu Hause anhören, doch im Club wirkt es einfach besser. Und so einen Anspruch hat das neue Album gar nicht, weil du kannst es auf deinen Kopfhörern, im Auto oder zu Hause auf der Anlage. Es funktioniert einfach auch da.

Zurück zu euren Wurzeln: Wie habt ihr euch kennengelernt?

Dominik: Es es ist keine epische Founding Story 🙂 Wir haben beide an der Angewandten Digitale Kunst studiert, uns in der Klasse aber kaum wahrgenommen. Wir hatten aber einen sehr aktiven E-Mail-Verteiler, über den Sebastian nach einem Dreh gesucht hat, bei dem er beim Filmton helfen könnte. Ich wiederum war gerade dabei, den Sound für ein Projekt der Filmakademie zu machen und brauchte jemanden, der mir dabei helfen konnte. Wir haben uns in meinem damaligen Studio getroffen und anstatt an der Musik für den Film zu arbeiten, haben wir uns gegenseitig Musik vorgespielt. So entstand die Idee, gemeinsam Musik zu machen. Haben wir den Film überhaupt gemacht?
Sebastian: Ich kann mich nicht mehr erinnern. Ich hab ihn auch nie gesehen, glaube ich.
Dominik: Die Musik, die wir uns gegenseitig vorgespielt haben, ist viel mehr hängen geblieben.

War es für euch da schon früh klar, dass ihr von Beruf Musiker sein wollt?

Sebastian: Nein. Ich habe lange gebraucht, um mich als Musiker vorzustellen. Das mache ich sicher erst seit drei oder vier Jahren.
Dominik: Ich wusste zumindest, dass ich immer etwas mit Musik machen wollte. Deswegen habe ich die Ausbildung zum Tontechniker gemacht und an der Angewandten studiert. Die Uni habe ich abgebrochen – Sebastian auch, keine Ahnung, ob aus den gleichen Gründen. Missen möchte ich die Erfahrung aber nicht, es war eine gute Plattform, um gute Leute kennenzulernen und zu erkennen, was ich nicht machen will. Unsere gemeinsame Musik sehe ich eher als Berufung, als dass ich je gedacht hatte, ich möchte Geld damit verdienen können. Es ist einfach so gekommen, dass wir mehr und mehr Konzerte gaben und ich weniger Tontechniker-Jobs machen musste.

Das klingt alles sehr smooth, als ob die Laufbahn sehr organisch gewachsen wäre. Stimmt mein Eindruck?

Sebastian: Wir sind gut aufgenommen worden. So vom Gefühl her sind wir ja auch in einer Blase, weil es gibt jetzt nicht so viele Acts, die mit so wenig Output so erfolgreich sind 🙂
Dominik: Wir haben einfach eine Nische in dem Techno-Ding gefunden.
Sebastian: Und es ist echt ein Glück, dass Österreich so klein ist. Wenn wir etwa in Deutschland wären, wo es Tausende Acts gibt, die es so machen wie wir, da wäre das nicht so leicht gewesen. Und hier macht das einfach keiner, es gibt keine Live-Acts, die auch noch dazu so Charaktere sind wie wir 🙂
Dominik: So streng würde ich das nicht sehen. Als Liveact eine Nummer vorzubereiten und von Grund auf zu spielen ist viel Arbeit, vor allem wenn es so klingen soll, wie wenn ein DJ die Nummern aneinanderreiht, mit perfekten Übergängen. Um ein 60-Minuten-Programm zusammenzustellen, muss man proben, gleich wie eine Band. Anfangs waren wir sehr bedacht darauf, die Menschen darauf hinzuweisen, dass wir alles live machen. Wenn man sich in dieser Szene, in diesem Stil, bewegt, wird man gerne mit einem DJ verwechselt. Mittlerweile sind wir nicht mehr ganz so streng. Aber es ist einfach ein großer Unterschied. 

Seid ihr zu zweit im Vorteil gegenüber denen, die alleine Musik machen?

Dominik: Es ist ein besonderes Zusammenspiel. Auf der Bühne bin ich in einem meditativen Flow. Jenseits von Zweifeln. Wie im freien Fall. Trotzdem muss man alles im richtigen Moment machen. Sebastian war dann eher dafür zuständig, die Response des Publikums wahrzunehmen und mich darauf aufmerksam zu machen. Unsere Aufgabenverteilung hat sich sehr automatisch, organisch erben.
Sebastian: Beim Techno baut man eine Spannung für den Drop auf. Der Klassiker war: Wenn ich an den Drums operiert habe und Dominik schon gesagt hat “Sag wann, sag wann, sag wann” und ich ohne einzuzählen jetzt gesagt habe, haben die Drops oft nicht perfekt funktioniert 🙂 🙂 Aber es ist wie in einer Band, man muss einfach üben.

Fehlt es euch nun auf der Bühne zu sein?

Dominik: Ja, das habe ich aber auch erst gemerkt, als es nicht mehr möglich war. Mir hat diese Anspannung gefehlt und der Release dieser Anspannung. Die Vorbereitung auf einen Moment, wenn man alles so gut wie möglich machen möchte. Und die Auftritte gaben uns auch einen gewissen Rhythmus: Wenn du alle zwei Wochen einen Gig hast, probst du dafür und bereitest in den Tagen davor alles vor.

Reagiert ihr auf den Konzerten auf die Response des Publikums?

Sebastian: Wenn sich ein Track auf der Bühne schlecht anfühlt, wird er irgendwann verworfen. Wir haben tatsächlich viele Tracks gespielt, die wir gespielt haben, bevor sie released waren, es gibt sicher rund zwanzig Songs, die wir zwar live gespielt haben, die es aber nie auf eine Platte geschafft haben. Einfach, weil es keine Motivation mehr gab, sie rauszubringen, weil sie nicht so gut funktioniert haben und weil das Gefühl fehlte, dass aus dem etwas werden könnte.
Dominik: Oder weil wir uns von einem speziellen Sound oder Track einfach weiterentwickelt haben.

Wie hat sich in der Zeit eure Musik verändert?

Dominik: Sie hat sich sehr verändert. In unseren ersten Jahren waren wir nicht so dancefloor-orientiert. Ein kleines Festival im Waldviertel hat uns 2014 den Anstoß zu tanzbareren Gigs gegeben. Wir haben dort eine four-to-the-floor Nummer, einen typischen Dancefloor-Beat, ausgedehnt. Und noch mal. Und noch mal. Insgesamt haben wir den ca. 20 Minuten gejammt und die Leute sind durchgedreht. Und dann dachten wir, das ist ja schon ganz cool und haben begonnen, mehr in diese Richtung zu arbeiten. Wenn du Musik für den Dancefloor machst, bekommt sie auch immer einen funktionellen Charakter, da gibt es dann ein Intro und ein Outro, du machst z. B. Breaks ohne Schlagzeug-Elemente, die wiederum nicht zu lange sein dürfen, damit die Leute nicht aufhören zu tanzen.

Wie fühlt es sich an, auf der Bühne zu stehen?

Dominik: Es ist anstrengend. Erstens konzentrationsmäßig und zweitens – für mich – körperlich, konditionell. Ich beweg mich einfach ur. Ich habe den Drang, selber zu tanzen, das hilft mir auch beim Rhythmusgefühl und ich bin danach echt fertig. Trotzdem muss ich dabei immer recht unkontrolliert grinsen.
Sebastian: Ich habe 2019 aufgehört, live zu spielen, Dominik hat das seitdem alleine gemacht. Ich wollte nicht mehr mitten in der Szene sein, das hat mich ausgelaugt.
Dominik: Diese Neuaufstellung war ein großer Schritt. Konzerte alleine zu machen, war ein großer Schritt aus meiner Comfort Zone. Insgesamt hat es uns aber sehr viel gebracht.
Sebastian: Dominik wollte sich voll auf live konzentrieren, ich konnte das aber nicht, weil ich es nicht mehr wirklich machen wollte und mich eher im Producen, im Micro-Editing gesehen habe. Ich will ganz in dem Track drinnen sein. Dass wir beide schlechte Kommunikatoren sind, machte die Sache nicht besser. Viele Gespräche später wurde es besser.
Dominik: Wir haben ja von Anfang an alles selbst gemacht, das neben der Musik angefallen ist: Das Booking, das Management, die Promotion. Wir hatten keine dritte Person, die zwischen uns vermitteln hätte können. Mittlerweile – auch über die Aufteilung – sind wir an einem Punkt, wo sich niemand mehr benachteiligt vorkommt.
Sebastian: Mit dem letzten Album haben wir geschafft, die Unterschiede zu verbinden und somit wird’s auch immer besser. Wir haben dieses Band-Gefüge fluider gemacht, so können wir flexibler sein.

Habt ihr vielleicht 2019 schon eingeleitet, was ab 2020 in der Musikindustrie ohnehin notwendig geworden ist?

Dominik: Vielleicht, vielleicht. Wir haben für uns erkannt, dass wir besser in zwei getrennten Studios arbeiten können. So treffen wir uns einmal in der Woche. Wir haben gemerkt, es funktioniert besser, wenn der eine nicht dem anderen über die Schulter schaut und jeder aus seinem Bereich das Beste rausholen kann.

Mittlerweile kann man die Musik als euren Beruf bezeichnen. Was gefällt euch so daran?

Sebastian: Jetzt kann ich es als Beruf bezeichnen! Man lernt extrem viele Menschen kennen, die alle kreativ arbeiten. Ob Filmemacher, Designer … der Austausch ist einfach echt genial.
Dominik: Man schafft etwas, das vorher nicht da war. Du holst im Fall der Musik etwas aus der Luft und schickst es zurück in die Luft. In dem Moment, wo der Track vorbei ist, ist es schon wieder weg. Dieses Flüchtige, dieser Moment, diese zeitliche Begrenzung. Ein Bild kannst du dir ewig anschauen, du kannst auch wegschauen oder die Augen schließen, aber Musik durchfließt dich und ist immer mit dir.

Vitae

We make electronic music. 

Dominik und Sebastian haben sich irgendwann in den 2010ern über das Studium “Digitale Kunst” an der Angewandten kennengelernt. Viele Auftritte und eine Pandemie später haben sie gerade eine neue EP herausgebracht. 

austrianapparel.at

Favorite Gigs

eindeutige #1: Tanz durch den Tag

uneindeutige # 2: Wolfkup Weekender Südafrika, Premium Sofa Club Hong Kong, das erste Lighthouse Festival mit Sicht aufs Meer beim Sonnenuntergang und Feuerwerk, das erste Mal in der Hammerhalle im Sisyphos Berlin, das erste Mal in der Forelle vor Extrawelt und Dominiks erster Allein-Gig beim Electric Love Festival

Never downgrade.